In der Netflix-Serien-Adaption von Patricia Highsmith’s Buch „Der talentierte Mr. Ripley“ spielt Andrew Scott einen Noir-Ripley, den wir so noch nicht kannten. Großen Teilen des Publikums dürfte die Adaption des Materials aus dem Jahr 1999 ein Begriff sein, mit Matt Damon, Jude Law und Gwyneth Paltrow in den Hauptrollen. Steven Zaillian („Moneyball“) schlägt mit seiner achtteiligen Serie nun einen ganz anderen Ton an. „Ripley“ ist düsterer, kühler und in jeglicher Hinsicht fesselnd und das von Sekunde 1 an. Zaillian entführt in eine schwarz-weiße Welt, der es dennoch zu keinem Zeitpunkt an Farbe mangelt.

von Lena Wasserburger

Der Ausgangspunkt der Geschichte ist New York: Der Kleinkriminelle Tom Ripley (Andrew Scott) hält sich mit kleineren Betrügereien über Wasser. Als ihm eines Tages von einem reichen Geschäftsmann ein verlockendes Angebot gemacht wird, dass es ihm ermöglicht, seinem Leben in New York zu entfliehen, kann Tom der Versuchung nicht widerstehen. Sein Auftrag: Er soll den Sohn seines Auftraggebers, Richard Greenleaf, auch Dickie genannt, in Italien aufspüren und ihn dazu überreden, nach Hause zu seinen Eltern zurückzukehren. Im Gegenzug wird Tom reich entlohnt.

Nach seiner Ankunft in Italien und seiner ersten Begegnung mit Dickie Greenleaf und dessen luxuriösem Lebensstil steht allerdings fest: Tom denkt nicht im Traum daran, seinen Auftrag zu erfüllen. Er freundet sich mit Dickie an und manipuliert sich langsam und sorgfältig in dessen Leben hinein, jedoch unter den wachtsamen Augen von Dickies Freundin Marge. Als das allmählich wachsende Misstrauen seiner neuen Freunde droht, Toms Pläne zu durchkreuzen, sieht er sich zum Handeln gezwungen. In seiner Besessenheit, Dickies Leben für sich zu beanspruchen, schreckt Tom vor nichts zurück. Auch nicht vor Mord. Was folgt, ist ein packendes Katz- und- Maus-Spiel und jede Menge schockierende Wendungen.

Die Handlung dürfte Fans der 1999er Verfilmung, jener aus 1960 („Nur die Sonne war Zeuge“) oder jenen, die das Buch gelesen haben, bereits bekannt sein – auch wenn gerade die Filmversionen doch zu einigen gröberen Abweichungen vom Plot des Buches neigen. „Ripley“, obwohl auch hier ein paar Updates und Änderungen hinzugefügt wurden, verzichtet in Sachen Plot auf übermäßig viel Improvisation und setzt stattdessen auf eine besonders kreative stilistische Umsetzung: Die gesamte Serie ist in Schwarz-Weiß gehalten und lebt von Licht und Schatten, wie auch die Kunst des italienischen Malers Caravaggio, der nicht nur namentlich erwähnt, sondern auch in der Bildgestaltung im Laufe der Serie eine immer deutlicher hervorstechende, wichtige Rolle spielt. „Ripley“ lebt vom Hell-Dunkel-Spiel, sei es beispielsweise der Kontrast von dunklem Blut auf hellem Untergrund oder der Einsatz von Spiegelungen in Regenpfützen. Das Noir-Feeling ist so vollendet umgesetzt, dass man die Farbe im Bild zu keinem Zeitpunkt vermisst, ja es fühlt sich fast wie Reizüberflutung an, als plötzlich zur Hälfte der Serie der erste und einzige blutrote Farbspritzer auftaucht.

Zaillian inszeniert jedes Bild mit so viel Intention und Detail, dass man durchaus dankbar für das geringe Tempo der Serie ist. Immerhin ist so genug Zeit, sich im Bild umzuschauen, die Räume zu erkunden und das herausragende Sound-Design zu genießen. Regentropfen, das Zischen eines Feuers, das Klimpern eines Windspiels – die Sounds von „Ripley“ gehen ins Ohr und sorgen manchmal sogar für Gänsehaut. Dass einige Teile des Publikums sich eventuell von der Serie gelangweilt fühlen könnten oder vielleicht mit dem visuellen Stil der Serie schlicht nichts anfangen können, ist hier zu erwarten, doch hiermit sei jeder zumindest dazu ermutigt, sich auf den Stil und die Geschichte einzulassen und etwas Geduld an den Tag zu legen.

Dass die Serie über weite Teile ein wirklich auffallend langsames Erzähltempo an den Tag legt, ist der Spannung der Geschichte nämlich zu keinem Zeitpunkt abträglich. Nein, die anfängliche Ruhe weicht einem stetig wachsenden Unbehagen, einer Anspannung, als die Handlung sich immer mehr zuspitzt und in den letzten Episoden mit mehreren gedehnten Paukenschlägen ihre Höhepunkte findet.

Der unbestreitbare Höhepunkt, der Mittelpunkt des Ganzen, ist allerdings Andrew Scott als Tom Ripley. Scott liefert von Beginn an eine hypnotisierende Performance ab. Er ist kalkuliert, charismatisch, besessen, undurchschaubar, magnetisch. Tom Ripley ist eine Art Enigma und ein fesselnder Charakter, dem durch Andrew Scott bemerkenswert viele interessante Nuancen verliehen wurden. Der Supporting Cast zeigt sich ebenfalls von seiner besten Seite, allen voran Johnny Flynn als Dickie Greenleaf und Dakota Fanning als Marge, die sich mit Scott in mehreren Szenen eine Reihe an Ping Pong-Matches liefert, die auch gerne noch länger dauern hätten dürfen.

Fazit

„Ripley“ ist eine faszinierende Thriller-Serie mit umwerfender Cinematography und einem Andrew Scott, der zur absoluten Höchstform aufläuft. Welche Verfilmung in Zukunft als „DIE“ definitive „Ripley“-Verfilmung gelten soll, ist ohnehin subjektiv zu beurteilen. Fest steht jedoch, dass Steven Zaillian mit seiner Serie auf beinahe allen Ebenen punkten kann. Also: Alle Achtung, das war eine gelungene Vorstellung. Und definitiv das Netflix-Abo wert.

Wertung

Bewertung: 9 von 10.

(93/100)

Seit 4.4. auf Netflix.

Bilder: © 2021 Netflix, Inc.